Es gibt nicht viele Saxofonisten, die in noch relativ jungen Jahren über einen derart eigenständigen Ton und eine solch klare Struktur in ihrer musikalischen Sprache verfügen. Dabei ist David Fettmann doch erst 37, und das „Ruby Project“ gerade mal sein zweites Album unter eigenem Namen. Nach dem vielbeachteten Debüt „Prelude“ von 2011 (Double Moon Records DMCHR 71091), das den in Straßburg geborenen Franzosen als eine der interessantesten europäischen Altsaxofonstimmen der aktuellen Generation ins kollektive Bewusstsein rückte, begibt sich Fettmann nun ausgerechnet in unruhigen Zeiten wie diesen auf Spurensuche. Dezent, unaufdringlich, aber konsequent wie noch nie zuvor, bekennt sich der aus einer jüdischen Familie stammende Musiker zu seinen kulturellen Wurzeln und setzt damit indirekt auch ein Zeichen für Völkerverständigung und gegen religiöse Abgrenzung. Wenn er alte hebräische Liturgien wie „Lecha Dodi“, „Maoz Tzur“ oder „Avinu Malkeinu“ oder jüdische Volkslieder wie „Abi gezunt“ für sein Trio mit dem Organisten Guillaume Naud und dem Drummer Johnathan Blake neu arrangiert, geht es ihm in erster Linie um Toleranz. Im gleichen Atemzug komponierte Fettmann aber auch ein Bündel eigener Songs, die dem Duktus seiner Philosophie eines friedlichen Miteinanders der Kulturen in jeder Note Rechnung tragen. Als Patin des ambitionierten Projektes fungiert dabei David Fettmanns Großmutter Ruby, das erklärte Zentrum der Familie. „Ihr und meiner Familie habe ich dieses Album gewidmet“, bekennt der Altsaxofonist. Gerade wegen der Reduzierung auf das Trioformat bleibt Fettmann seinem Prinzip treu, keine Plattform für egomanische Soloritte anzubieten, die den Zuhörer womöglich irgendwann nerven könnten, sondern vielmehr ein weites improvisatorisches Feld für alle Beteiligten zu öffnen. Dabei entsteht ein gleichwohl geschlossenes wie atemberaubendes Klangbild, das vor allem durch seine unzähligen Nuancen und Facetten zu faszinieren weiß und einen ebenso weiten wie verblüffend logischen Bogen zwischen tiefer hebräischer Spiritualität und modernem Jazzvokabular spannt. David Fettmann nennt ein Master Degree in Jazz (erworben am Lemmens Institut in Leuven, Belgien), einen Bachelor in Music (erworben am Conservatorium van Amsterdam, Niederlande) sowie ein Abschlussdiplom in Jazz am Nationalkonservatorium in Nizza (Frankreich) sein eigen. Dort gewann er zudem in der Kategorie Jazz-Saxofon einen ersten Preis. Von 2005 bis 2012 war der Altsaxofonist Mitglied des ONJL (Orchestre National Jazz Luxembourg), mit dem er unter anderem George Duke, Dee Dee Bridgewater, Paquito D’Rivera, Richard Bona, Patti Austin, Helge Schneider und Didier Lockwood begleitete. Außerdem gehört Fettmann noch dem „Orchestre de Jazz de la Musique de l’Armée de l’Air“ sowie der „Electro Deluxe Big Band“ an. Der Organist Guillaume Naud, Absolvent des renommierten Pariser Jazz-Institutes CIM, arbeitete mit namhaften Künstlern wie Michel Legrand, Youn Sun Nah sowie Stéphane Belmondo und kann auf mehrere Alben unter eigenem Namen zurückblicken. Der 42-Jährige gilt als äußerst feinfühliger Begleiter und ausdrucksstarker Solist. Amerikanische Unterstützung erhielten die beiden Franzosen durch Johnathan Blake, einen der interessantesten Schlagzeuger der aktuellen Generation. Für seine liedhafte und gleichwohl unwiderstehlich groovende Rhythmusarbeit nannte ihn der Journalisten John Murph den „ultimativen Modernisten“. Als festes Mitglied in den Bands von Tom Harrell, Kenny Barron, Oliver Lake, Roy Hargrove und David Sanchez weckte Blake zum ersten Mal das Interesse der Öffentlichkeit. Inzwischen kann der 38-Jährige auf Kollaborationen mit Hans Glawischnig, Alex Sipiagin, Donny McCaslin, Avishai Cohen, Omer Avital, Shauli Einav und Jaleel Shaw sowie rund 50 Veröffentlichungen und eine eigene CD verweisen.