Im Jahr 2006 gründeten Jan Müller und Rasmus Engler die Dirty Dishes während der Produktion eines anderen Projektes und zwangen den anwesenden Ton-Ingeni-eur zur Aufnahme der aus den Ärmel geschüttelten Stücke Bon Giorno und Trink ein Cola, welche umgehend in Kleinstauflage auf Vinyl gepresst wurden. Bemerkenswerterweise entstand aus diesem, aus einer Mischung aus Langeweile und Zwang zum Witz gegründeten Duo nun eine schon sieben Jahre und fünf Tonträger andauernde Musikgruppe. Dirty Dishes-Alben werden in wild entfesselter Schaffenswut immer parallel mit den jeweiligen Produktionen der bekannteren Bands von Engler (Herrenmagazin) und Müller (Tocotronic) kreiert. Als Über-sprungshandlung wie Jan Müller einst erläuterte. Die Dirty Dishes erweiterten sich über die Jahre: Wegbegleiter wurden mittlerweile in die Gruppe hinein assoziiert. So beteiligten sich beim aktuellem Album mit dem prägnanten Titel Von der raffinierten Kunst, jemanden in einen Tümpel zu stoßen erneut der Oberbergische Blues-Interpret Guido vom Flockenberg , die Hamburger Chanteuse Isabella Stellmann, der Hamburger Kulturschaffende Norman Zopfus Müller, der Peiner Zweitausendsassa Alexander Tsitsigias und die Berliner Pop-Musikerin Julia Wilton. Nur eine oberflächliche Betrachtung lässt das Werk der Dirty Dishes lediglich von Dilettantismus geprägt erscheinen. Es ist vielmehr eine ganz spezielle Kombination aus hingeworfenem, wenig vertieftem und verbissenem Perfektionismus, der es so unverwechselbar macht. Talent reibt sich an Unvermögen und erzeugt den eigen-tümlichen Klang der Dirty Dishes. Mitunter reiht sich ein bis an die Schmerzgrenze dringender Ohrwurm wie z.B. Heute erscheint die neue Micky Maus an experi-mentelle Instrumentalsounds (Braunschweig bei Nacht); Albernheit (Ich klick' mich durch's Internet) wechselt sich ab mit selbstquälerischem Unflat (Ende der Debatte) und begegnet am Ende glitzerndem Tiefsinn (Botschaft der Zwietracht). In manchen Momenten sind die Dirty Dishes eingängig und geschmacklos sowie infantil und melancholisch zugleich (Loblied auf den HVV). Grenzen gibt es für diese Gruppe nicht, obwohl ihnen Eklektizismus vermutlich fremd ist. Sie sind streng und doch hoffnungslos anarchisch. Für die Dirty Dishes sind Originalität und Penetranz wichtige Werkzeuge ihres Hu-mors. Dass ihr Witz von vielen nicht verstanden wird oder sogar auf aggressive Ablehnung trifft, ist Teil ihres Konzepts. Ein Kritiker der Dirty Dishes charakterisierte sie als von Spott durchdrungen; auch wenn sich die Dirty Dishes mitunter in Not-wehr dieses Mittels bedienen, so ist ihr Witz doch meist viel eher von einem zärt-lichen Sticheln geprägt. Manchmal steigert sich gar ein nur eingeweihten verständ-licher Privatwitz zu einem nicht mal mehr den Künstlern selbst begreifbaren Scha-bernack: Aufnahmefehler werden beibehalten und überzeichnet, Druckfehler wer-den mitgesungen und Erschöpfungszustände werden vor der Aufnahme mutwillig herbeigeführt. Auch Fahrlässigkeit und Abwegigkeit sind Ausdrucksmittel der Dirty Dishes. Doch bei allen Pfusch-Nebelkerzen, die Engler und Müller entzünden: Spätestens bei der Vertonung des Grogliedes von Paul Scheerbart wird deutlich, wie wichtig ihnen Präzision und ein ausgefeiltes Referenzsystem bisweilen ist. Manchmal steigern sie sich gar bis zur mythischen Düsterheit (Von zwei Personen beim An-blick des Versickerns ihrer Würde im Sand der Zeit angestellte Betrachtungen). Ihr neues Album erscheint Digital mit 16 Titeln und als CD + DVD mit 18 Titeln und 10 Video-Clips (erhältlich im Tocotronic-Online-Shop und ausgewählten Platten-läden). Auch nach diesem fast schon monumentalen Werk sind die Dirty Dishes noch lange nicht am Ende. Sie haben nun bereits über 70 Titel veröffentlicht und wenn man den Gerüchten Glauben schenkt, sind die nächsten Tonträger schon in Arbeit. Eine Split-Vinyl-7 mit dem fränkischen Punk-Barden Else Admire sowie eine Doppel-Mini-CD mit ausschließlich experimentellen Instrumental-Titeln. (D. Botzenhardt)